Streitschrift gegen den altgläubigen Herzog Georg von Sachsen
Die Reform der spätmittelalterlichen Kirche war vom Beginn seiner Regierung an ein zentrales Anliegen Herzog Georgs von Sachsen. Bekanntlich stand Georg zunächst auch Luther und dessen Reformforderungen aufgeschlossen gegenüber. Doch auf der Leipziger Disputation kam es 1519 zum völligen Bruch. Georg sah von nun an in Luther einen Ketzer und wurde zu dessen wohl schärfstem Gegner unter den Reichsfürsten.
Der Augsburger Reichstag 1530, auf dem die Protestanten zunächst mit der Confessio Augustana ihre Position vortragen konnten, endete mit einer schroffen Ablehnung seitens des Kaisers und der altgläubigen Stände. Der Reichsabschied setzte das Wormser Edikt wieder in Kraft. Die reichsrechtliche Stellung der evangelischen Stände, die sich zunehmend bedroht fühlten, blieb ungesichert. Anfang 1531 gründete sich der Schmalkaldische Bund.
Gegen den Augsburger Reichsabschied wandte sich Luther Anfang 1531 in zwei sehr kämpferischen Schriften: „Warnunge an seine lieben Deudschen“ sowie „Glosse auf das Vermeint Keiserlich Edict“. Herzog Georg beklagte sich bei Kurfürst Johann als dem Landesherrn Luthers heftig über diese Druckschriften, weil Luther darin den Kaiser angegriffen und Anlass zu Aufruhr gegeben habe. Johann reagierte auf Georgs Forderung, gegen Luther und dessen Schriften vorzugehen, zurückhaltend, ließ aber Luther auffordern, derartig scharfe Schriften unterlassen.
Georg war mit der ausweichenden Antwort des Kurfürsten jedoch nicht zufrieden und griff Luther nun selbst in einer Schrift „Widder des Luthers warnung an die Deutschen“ an, von der ein eigenhändiger Entwurf des Herzogs überliefert ist. Der Druck erschien dann anonym in Dresden, herausgegeben von dem Pfarrer Franziskus Arnold aus Cölln (Meißen). Offenbar noch während der Drucklegung erhielt Luther Kenntnis von dieser Schrift und verfasste als Replik umgehend eine seiner leidenschaftlichsten Polemiken. Es handelt sich um die vorzustellende Schrift „Widder den Meuchler zu Dresen gedrueckt. Mart. Luther. Wittemberg. 1531“. Luthers Ziel war es, dass diese bereits auf der Leipziger Ostermesse 1531 zugleich mit der Schrift Georgs/Arnolds angeboten werden konnte. Bei der vorliegenden Handschrift handelt es sich um ein Fragment des eigenhändigen Manuskripts Luthers, das den Entstehungsprozess mit Einfügungen und Korrekturen gut dokumentiert. Die Erstausgabe erschien im Druck bei Hans Lufft in Wittenberg. Drei Nachdrucke folgten noch 1531, ebenso zwei Raubdrucke in Straßburg und eine niederdeutsche Ausgabe in Magdeburg.
Der Begriff „Meuchler“ im Titel bedeutet hier „heimtückischer Verleumder“. Luthers Korrespondenz lässt darauf schließen, dass er den Herzog als Autor vermutete. Er erwähnt ihn aber nicht und bezieht sich nur auf den Druckort Dresden. Punkt für Punkt widerlegt Luther die Vorwürfe der Schrift Georgs. Dabei bedient er sich einer außerordentlich aggressiven Sprache. Vehement verteidigt er sich gegen den Vorwurf, zum Ungehorsam gegenüber dem Kaiser aufgerufen zu haben. Nur in dem speziellen Fall, dass der Kaiser Krieg gegen Gott und Recht führe, solle man ihm den Gehorsam verweigern.
Nachdrücklich verwahrt sich Luther gegen den Vorwurf der Kriegsvorbereitung auf Seiten der evangelischen Fürsten. Im Gegenteil dazu wären es die Papisten, „Deine mordissche bluthünde“, welche „meine Lutherisschen“ angreifen und gewaltsam vernichten wollten (Bl. 70r). Diese Schrift ist auch ein Beleg dafür, dass der Reformator die Benennung „Lutherische“ nicht mehr als Schmähung empfindet, sondern als Selbstbezeichnung wählt. Den Vorwurf, dass seine Abhandlungen nichts als böse Worte und Teufel enthielten, versucht Luther mit der Aussage zu übertreffen, er wolle von nun an nur noch Böses über die Papisten sagen. Er könne nicht mehr beten, ohne zugleich die Papisten zu verfluchen. Luther kündigt an, bald eine ausführlichere Erwiderung zu veröffentlichen. Von diesem Vorhaben wird er jedoch durch den Kurfürsten über Kanzler Gregor Brück und durch Melanchthon abgehalten.
Verfasser: Christian Winter
Signatur: Mscr.Dresd.A.155,Bl.68r-75v (zum Digitalisat).
Edition der Quelle: WA 30 III, S. 446–471 (die Handschrift S. 449–467).
Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.