Theologie im Stammbuch: Paul Eber
Der aus Kitzingen stammende Paul Eber (1511–1569) ist heute kaum bekannt, dennoch saß er mit an Luthers Tisch und hatte einen eigenen Anteil an der Ausgestaltung der Wittenberger Reformation. 1532 wurde er an der Universität Wittenberg immatrikuliert, 1536 erlangte er den akademischen Grad eines „Magister artium“. Später wirkte er in Wittenberg als Lehrer am Pädagogium (1541), als Professor für Physik und Rhetorik (1544) und seit 1557 als Professor für Hebräisch. Zugleich war er Prediger an der Schlosskirche. Eber publizierte nicht nur zahlreiche theologische Schriften, sondern er trat auch als Dichter von geistlichen Liedern hervor, die in die Gesangbücher des Luthertums Eingang fanden. Schon seit seiner frühen Jugend war ihm die neulateinische Dichtkunst vertraut, in die ihn an der Schule in Nürnberg der Dichter Eobanus Hessus (1488–1540) eingeführt hatte.
Dass Eber auch gern deutsche Verse schrieb, zeigt die hier abgebildete Bucheintragung in einem Band, in dem mehrere Erbauungsschriften in deutscher Sprache zusammengebunden sind. Der Wittenberger Professor und Prediger schrieb dem Besitzer des Buches Lebensregeln „ins Stammbuch“, die als Kurzfassung einer lutherischen Tugendethik angesehen werden können. An erster Stelle erscheinen dabei die Gebote der Gottesfurcht (1. Gebot) und des Gehorsams gegenüber den Eltern (4. Gebot), denen das Gebot des Gehorsams gegenüber der Obrigkeit hinzugefügt wird, das auch biblisch begründet ist (Römer 13). Dazu werden weitere Tugenden in das Gedicht eingeflochten: Keuschheit, Nüchternheit und die Kunst, das rechte Maß zu halten, daneben aber auch Respekt gegenüber Pfarrern und Frauen. (Das Wort „Weibsbilder“ darf hier nicht negativ missverstanden werden. Dem Frühneuhochdeutschen ist die abwertende Bedeutung des Wortes noch unbekannt.)
Das Gedicht wirkt wie ein Stegreifgedicht. Die grafische Gestaltung durch Klammern verstärkt den Eindruck, dass hier eine „Liste“ von Tugenden geboten werden soll, die in gereimter Form besser memoriert werden kann. In einer behutsam modernisierten Form liest sich das Gedicht so:
„Fürchte Gott, Eltern, Oberherrn vor allen,
ihr Wort, Zucht, Straf lass dir gefallen.
Die Priester, Weibsbild, Eltern ehr.
Dein Lob, Kunst, Gut mit Gott vermehr.
Daneben keusch, nüchtern, wahrhaft sei,
mit Maßen fröhlich, freundlich, diensthaft dabei.
Und glaub, red, richt ja eilend nit,
so wirst du in dir, bei Gott und Menschen haben Fried.“
Als Paul Eber am 2. Januar 1558 dieses Gedicht in das Buch schrieb, konnte er nicht ahnen, dass er wenige Wochen später in das höchste Kirchenamt in Wittenberg berufen werden sollte. Am 20. April 1558 starb Johannes Bugenhagen, der sich auch in das Buch eingeschrieben hatte. Paul Eber wurde sein Nachfolger als Superintendent des Kurkreises. Die Universität und die Stadt Wittenberg hatten ihn für dieses Amt vorgeschlagen. Von dem Archidiakon Sebastian Fröschel wurde Eber am 4. September 1558 in sein Amt mit einer Rede eingeführt, die Melanchthon verfasst hatte.
Nach Melanchthons Tod (1560) wurde Paul Eber der zentrale Repräsentant der Wittenberger Theologie. Weit über die Grenzen Sachsens hinaus wirkte er als theologischer Ratgeber für zahlreiche lutherische Städte und Territorien.
Verfasser: Hans-Peter Hasse
Signatur: Theol.ev.asc.965,S.N-O (zum vollständigen Digitalisat).
Edition der Quelle: Nicht nachgewiesen.
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