Um einen Ausgleich zwischen den altgläubigen und evangelischen Ständen im Reich herbeizuführen, lud Kaiser Karl V. 1540 zu einem ersten Religionsgespräch nach Hagenau ein, auf dem aber nur Verfahrensfragen geklärt wurden. Das zweite Religionsgespräch in Worms, das an der Jahreswende von 1540 zu 1541 stattfand, brachte kaum nennenswerte Ergebnisse. Erst ein drittes Gespräch, das vom April bis Juli 1541 in Regensburg veranstaltet wurde, sollte eine Verständigung herbeiführen. Dafür hatten der katholische Theologe Johannes Gropper aus Köln und der evangelische Theologe Martin Bucer aus Straßburg gemeinsam das sogenannte Wormser Buch erarbeitet, das als Diskussionsgrundlage dienen sollte.
Luther erwartete von dem Regensburger Religionsgespräch, das am Rande des Reichstages stattfand, nichts Gutes. Anfang April 1541 informierte ihn Gregor Brück darüber, dass Landgraf Philipp von Hessen in äußerlichen Fragen und der Kirchengüterfrage bereit sei, der Gegenseite weiter als bisher entgegen zu kommen. Deshalb erbat Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen durch Brück ein Gutachten von Luther, wie mit dieser Entwicklung umzugehen sei. Luther entsprach diesem Wunsch gern, zumal zwischen ihm und Brück ein freundschaftliches Verhältnis herrschte und er seinen Landesherrn bereits häufig in theologischen Fragen beraten hatte.
Unmissverständlich lehnte Luther das Entgegenkommen des Landgrafen ab. Sein Vertrauen in ihn und auch Bucer sei zerstört. Es gäbe für ihn nur eine Position, auf deren Basis die Verhandlungen geführt werden könnten, und diese sei die der Schmalkaldischen Artikel von 1537. Wenn man verhandeln wolle, sollte man zuerst über die harten Stücke, also die eigentlichen Glaubenslehren und das Verständnis der Sakramente, beraten. Danach würde sich der Rest – vor allem die Fragen der Zeremonien – von selbst finden. Ein gutes Beispiel für den Erfolg dieses Weges sei die Entwicklung im Bereich der Wittenberger Reformation, wo man so verfahren habe. Mit der Vernunft könne man hier unmöglich argumentieren, weil es nicht um beliebige weltliche Angelegenheiten gehe. Wer aber bei äußerlichen Fragen beginnt, vergisst Gott und sucht einen falschen Frieden. Eine so gewonnene Eintracht könne keinen langen Bestand haben. Dem Weg des Landgrafen zu folgen, könnte Uneinigkeit unter den Schmalkaldischen Bundesverwandten herbeiführen. Darüber würde sich der Teufel nur freuen.
Auch bei den Kirchengütern solle den Gegnern nicht entgegengekommen werden, weil man dadurch die falsche Lehre fördern würde. Das Klosterwesen sei als erstes abzulegen, weil die Predigt sowie die Erhaltung der Kirchen und Schulen wichtiger seien. Dafür würden die Kirchengüter gebraucht.
Luthers Position war durch die Fixierung auf die von ihm verfassten Schmalkaldischen Artikel geprägt. Diese grundsätzliche Haltung wurde in großen Teilen von den kursächsischen Unterhändlern auf dem Regensburger Religionsgespräch, zu denen Philipp Melanchthon und Caspar Cruciger gehörten, übernommen. Das Religionsgespräch erbrachte demzufolge nicht die vom Kaiser gewünschte Lösung.
An dem Autograph von Luthers Gutachten verwundert etwas, dass es weder von ihm unterschrieben wurde noch sonst die Form eines Briefes oder eines Gutachtens wahrt. Möglicherweise handelt es sich nicht um die Ausfertigung, die Luther an Brück übergab, sondern um einen Entwurf. Vielleicht spiegelt die unkonventionelle Form auch die Nähe Luthers zu Brück wider. Jedenfalls kam das Schreiben durch die Sammlung des kurbrandenburgischen Rates Martin Friedrich Seidel (1621–1693) im 17. Jahrhundert in die Dresdner Bibliothek.
Verfasser: Stefan Michel
Signatur: Mscr.Dresd.R.96,S.123-126 (zum Digitalisat).
Edition der Quelle: WAB 9, 355-357 (Nr. 3591).
Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.