„Euch thu ich guter meinung zu wissen, das abermals fur mich kommen ist, das der arme Frantz Neuman im hospital zum heiligen Geist not leide.“ Mit diesen eindringlichen Worten trat Georg Spalatin, der seit 1525 als Pfarrer in Altenburg wirkte, am 9. November 1543 an den Bürgermeister und Rat der Stadt Altenburg heran, damit dieser besagtem Franz Neumann, der zeitweilig im Hospital zum Heiligen Geist Aufnahme gefunden hatte, aus seiner misslichen Lage helfen möge. Aus den weiteren Worten geht nicht nur hervor, dass Spalatin in dieser Angelegenheit schon einmal behelligt worden war, sondern auch, dass Neumann zu diesem Zeitpunkt vermutlich der einzige Bewohner des Hospitals, dessen Ursprünge ins 14. Jahrhundert zurückreichen, war. Denn nur so wird erklärlich, weshalb Spalatin die Altenburger Ratsherren bat, die vom Gemeinen Kasten der Stadt Altenburg jährlich dem Hospital zu reichenden sechs Scheffel Korn samt den dazu bestimmten „waitzen und erbeß“ nunmehr allein Franz Neumann zur Linderung seiner Armut („zur brotung“) zu reichen.
Das Ansinnen Spalatins entsprach dabei durchaus der ursprünglichen Intention der Gemeinen Kästen, waren sie diejenigen Instrumente, welche nach Auflösung der katholischen Institutionen in den Städten neu geschaffen und dazu genutzt wurden, um das Einkommen der Kirchen- und Schuldiener zu garantieren, Kirchen- und Schulgebäude zu erhalten und eben die Armen- und Krankenversorgung (z. B. in Hospitälern) zu garantieren. Hierzu flossen in den Gemeinen Kasten der Städte vor allem Einnahmen, Lehen und Zinsen o. ä., die infolge der Sequestration, Säkularisation und dem Verkauf der altkirchlichen Einrichtungen zusammenkamen.
Ob es sich bei Franz Neumann, der mit einem reichlicheren Almosen aus dem Gemeinen Kasten Altenburgs versehen werden sollte, um einen armen Stadtbewohner oder gar um einen ehemaligen Mönch handelte, der infolge der Säkularisation der geistlichen Institutionen in Altenburg in Armut geriet, bleibt offen. Sicher ist, dass Spalatin versprach, sich in Ansehung des „vleissigen diensts“, den Neumann einst ausgeübt habe, nach einer Gelegenheit umzuschauen, durch welche dieser sich jährlich einige Gulden dazuverdienen könne. Dass es sich bei diesen Worten Spalatins nicht nur um eine Floskel handelte, wird daran ersichtlich, dass Spalatin von jeher versuchte, ehemalige Mönche in Pfarr- und Predigerstellen oder sogar in deren alten bürgerlichen Berufen wieder unterzubringen sowie verarmte Personen durch Zulagen aus dem Gemeinen Kasten der Stadt Altenburg zu unterstützen.
Versucht man zu verstehen, weshalb Spalatin in dieser Angelegenheit an den Rat der Stadt Altenburg herantreten musste, wird man die Ursache darin zu suchen haben, dass über das Vermögen des Altenburger „Gotteskastens“ weder der Rat der Stadt Altenburg noch Spalatin allein verfügen konnten. Gemäß der unter dem Einfluss Spalatins im August 1527 geschaffenen Altenburger Kastenordnung, die sich an der bereits 1522 geschaffenen Wittenberger Kastenordnung orientierte, hatten die in den Pfarrkirchen und im ehemaligen Altenburger Franziskanerkloster aufgestellten „Gotteskästen“ jeweils drei Schlösser. Einen Schlüssel besaß der Stadtgeistliche; zum damaligen Zeitpunkt eben Spalatin. Ein Schlüssel war den Kastenvorstehern aus dem Rat vorbehalten, wohingegen der dritte Schlüssel den vier aus der Gemeinde bestellten Kastenvorstehern zustand. Zudem gehörte Spalatin nicht zu den Kastenvorstehern, sondern nur zwei Rats- und vier Gemeindemitglieder.
Verfasser: Björn Schmalz
Signatur: Mscr.Dresd.C.107.f,24(2) (zum Digitalisat)
Edition der Quelle: Nicht nachgewiesen.
Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.