Die von Martin Luther für den 9. Oktober 1512 ausgestellte Quittung ist das älteste Schriftstück in deutscher Sprache, das als Autograph erhalten ist. Luther quittierte den Empfang von 50 Gulden, die ihm der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise für die Finanzierung seiner Doktorpromotion schenkte, die in Wittenberg am 18. und 19. Oktober 1512 stattfand. Luther hatte das Doktorat nicht von sich aus angestrebt, sondern war dazu von seinem Ordensoberen Johannes von Staupitz (um 1465–1534) aufgefordert worden. In einer späten Erinnerung in den Tischreden berichtet Luther, Staupitz habe bei einem Gespräch unter einem Birnbaum zu ihm gesagt: „Herr Magister, Ihr werdet den Doktorgrad erlangen, so kriegt ihr etwas zu schaffen.“ Dies habe sich wenig später erfüllt. Für Luther war die Erlangung des Doktorgrades eine Voraussetzung dafür, Nachfolger von Staupitz zu werden, der den Lehrstuhl für die Biblische Professur an der Universität Wittenberg innehatte.
Die Doktorpromotion war nach den Statuten der Universität mit erheblichen Kosten verbunden. Für das Einholen der Erlaubnis zur Promotion (licentia) und den eigentlichen Promotionsakt waren 27 Gulden und 20 Groschen aufzubringen. Hinzu kamen noch die Kosten für den „Doktorschmaus“. Die Summe von 50 Gulden war genau kalkuliert. Sie entsprach etwa der Hälfte eines durchschnittlichen Jahresgehaltes für einen Professor an der Wittenberger Universität. Während Luther nach der Gründung seines Hausstandes (1525) ein „Spitzengehalt“ von 200 Gulden zugesprochen wurde, standen ihm 1512 als Angehörigem eines Bettelordens keine eigenen Mittel zur Verfügung. Somit blieb keine andere Möglichkeit, als den Stifter der Universität um die Finanzierung der Doktorpromotion zu bitten. Dafür sorgte Staupitz, der bei dem Besuch der Michaelismesse in Leipzig für Luther das Geld in Empfang nahm, das ihm der kursächsische Kämmerer Degenhart Pfeffinger (1471–1519) und der Rentmeister Hans von Dolzig (ca. 1490–1551) übergaben. Staupitz händigte ihnen die von Luther vorbereitete Quittung aus. Der Text lautet: „Ich Martinus Bruder eynsydelerß ordens [„Einsiedlerorden“: Augustinereremitenorden] zcu wittenberg Bekenne mit disßer meyner handschrifft, das ich von wegen des priors zcu wittenberg emphangenn habe von den gestrengen und vehsten Degenhart pfeffinger und Johanns Doltzec meyns gnedigsten hernn Cammerer funffzcig R[heinische] gulden auff Sonnabent nach francisci anno dominj etc. xij.“
Der Kurfürst wies die Zahlung an – unter der Bedingung, dass Luther bereit sei, die Bibelprofessur „lebenslang“ wahrzunehmen. Das wurde in der Hofkammerrechnung ausdrücklich festgehalten. Die Förderung seiner Doktorpromotion durch den Kurfürsten hat Luther später gelegentlich erwähnt. In seiner Auslegung des 101. Psalms (1534/1535) sagte er von Kurfürst Friedrich dem Weisen: „ist mein lieber Herr gewest und hat mich zum Doctor gemacht.“
Luther sah sich durch sein Doktorat, mit dem ein Eid auf die Bibel verbunden war, in seiner Lehrautorität bestärkt und zur Schriftauslegung legitimiert. Wiederholt berief er sich in den theologischen Auseinandersetzungen der frühen Reformation öffentlich darauf, ein „geschworener Doktor der Heiligen Schrift“ zu sein. Selbstbewusst erklärte er in einer Tischrede: „Ich bekenne, dass ich Sohn eines Bauern aus Möhra bei Eisenach bin, bin dennoch Doktor der Heiligen Schrift, des Papstes Feind.“
Verfasser: Hans-Peter Hasse
Signatur: Mscr.Dresd.R.96,S.218d (zum Digitalisat)
Edition der Quelle: WAB 12, S. 402-405 (Nr. 4316)
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