Stärkung in kämpferischen Zeiten
Man sieht dem Text an, dass er flüssig heruntergeschrieben wurde. Hier muss einer nicht lange nachdenken, was er schreiben will. Der Text, den Luther 1528 an einen unbekannten Adressaten schrieb, erschien noch im gleichen Jahr in gedruckter Form bei Joseph Klug in Wittenberg. Anlass für Luthers Schreiben war das erneute Verbot des Bischofs von Meißen, Johann von Schleinitz, das Abendmahl mit Laienkelch zu feiern.
Es handelt sich um eine höchst polemische Schrift. „Papstesel“ ist vielleicht das häufigste Wort im Text. Luther wollte seinem „Freund“ (und allen Lesern und Leserinnen) offenbar argumentative Stärkung zukommen lassen. Dabei geht es vordergründig und im Titel um die Frage, ob das Abendmahl mit Brot und Wein ausgeteilt wird, oder ob der Wein dem Pfarrer vorbehalten bleibt. Tatsächlich holt Luther jedoch weit aus. Die gesamte erste Hälfte des ca. 50 Seiten umfassenden Textes behandelt die Frage, wie die Kirche mit der Bibel umgeht. Luthers Behauptung, die er bereits in der berühmten Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ von 1520 entfaltet hatte, lautet: Die Kirche und insbesondere der Papst stellen sich über die Heilige Schrift und behaupten auch in der Abendmahlsfrage Dinge, die nicht durch die Bibel gedeckt sind. Um seine Gegner zu diskreditieren, ist sich Luther auch nicht zu schade, den unbekannten Fall eines Dompropstes anzuführen, der angeblich eine Frau ihrem Mann weggenommen habe.
Luther argumentiert sehr ausführlich, warum die Kirche sich nicht über die Schrift stellen dürfe. In Zweifelsfragen der Interpretation aber könne nur die Liebe das hermeneutische Kriterium sein, nicht aber Gesetze, die dem Gewissen des Einzelnen auferlegt würden. Die aufgeschlagene Seite in Luthers Manuskript (Bl. 61r) spiegelt die scharfe Polemik und das Selbstbewusstsein Luthers gegenüber seinen Gegnern wider. Selbst wenn sie – die Gegner – hundert Bibelsprüche vorbringen und zurechtdeuten, will er sie mit einem Wort des Paulus gegen die Verfälschung des Evangeliums (Gal 1, 8) umstoßen, „dass sie purzeln“. „Hierauf stehen wir! Hier sind wir! Hier bleiben wir! Darauf trotzen wir und wollen sehen, was der Papstesel dagegen kann.“ Von solchen Sprüchen und „Donnerschlägen“ gebe es noch mehr in dem Brief des Paulus, der gegen die „Tyrannei des Papstesels“ gerichtet sei.
Die ganze Bandbreite der Auseinandersetzung wird erkennbar, wenn Luther sich gegen das Argument wehrt, dass man den Gottesdienstbesuchern keinen Wein geben könne, weil dann vielleicht etwas Wein (d.i. das Blut Christi) verschüttet würde. Abgesehen davon, so Luther, dass sich auch etliche Priester bekleckerten, müsse man dann ja alles und jedes wegschließen und dürfe auch die Zehn Gebote nicht verbreiten, weil sie ja verwässert werden könnten.
Noch tolldreister aber findet Luther die Idee, dass in dem einen Element des Brotes doch den Laien schon der ganze Christus gegeben werde. Darauf Luther: „Ach, dass der Koch und Keller zu Stolpen auch müßten ein Ding werden, und dem Bischof schlecht Essen geben ohne Trinken …“ Luther argumentiert, dass – wenn der Bischof von Meißen recht hätte mit seiner These von der ganzen Präsenz Christi in einem Element – ja jeder Pfarrer den ganzen Christus zweimal zu sich nehmen würde, einmal im Brot und ein zweites Mal im Wein.
Verfasser: Christian Schwarke
Signatur: Mscr.Dresd.A.155,Bl.56-63 (zum Digitalisat).
Edition der Quelle: WA 53, S. 649-658 (Text [Fragment] aus der Dresdner Handschrift A.155) und WA 26, S. 555-618 (vollständiger Text der Schrift).
Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.