20 Gulden für das Wittenberger Augustinerkloster
Die mit eigener Hand unterzeichnete Quittung des Generalvikars der observanten Kongregation des Augustinereremitenordens Johann von Staupitz (um 1460/65–1524) belegt, wie Kurfürst Friedrich III. von Sachsen, genannt „der Weise“, durch finanzielle Zuwendungen das Augustinerkloster in Wittenberg unterstützte. Die am 5. November 1510 ausgezahlte Unterstützung in Höhe von 20 rheinischen Gulden war für den kleinen Konvent in der neuen Residenzstadt am Ufer der Elbe bestimmt und sollte der Subsistenzsicherung der dort lebenden Augustiner dienen, die mit der Gründung der Universität im Jahr 1502 auch Lehrverpflichtungen übernommen hatten.
Der zwischen 1460 und 1465 geborene Staupitz gehörte dem kursächsischen Adel an und war einer der Vertrauten Friedrichs bei der Gründung der Universität. Er vertrat dort die „lectura in biblia“, die Professur für Bibelwissenschaften. Darüber hinaus übernahm er das Dekanat der theologischen Fakultät. Die Zeit, aus der die Quittung stammt, war von extremen Belastungen für Staupitz geprägt. Als Generalvikar der observanten, also einer besonders regelkonformen Ausgliederung des dritten Bettelordens setzte er die Reformanstrengungen seines Vorgängers Andreas Proles fort und suchte weitere Konvente in die damals etwa sieben Konvente umfassende deutsche Provinz zu gewinnen. Ausgedehnte Reisen in die nordwestlichen Klöster hielten ihn immer wieder von seinem Heimatkonvent in Wittenberg fern. Der wohl schon damals von ihm ins Auge gefasste Martin Luther, den er etwa seit Sommer 1506 kannte, sollte ihn entlasten, musste dafür aber die erforderlichen Graduierungen erwerben. Darüber war der Erfurter Konvent alles andere als begeistert und entsandte Luther in der Frage der Ordensunion nach Rom, um mit der Kurie den Einspruch der Erfurter zu besprechen.
Staupitz prägte durch sein verbindliches, ausgleichendes und vor allem seelsorgerliches Wirken das intellektuelle Klima der theologischen Fakultät nachhaltig. Bis 1508 ohne Statuten versehen gelangten durch seine Vermittlung zahlreiche Professoren höchst unterschiedlicher theologischer und philosophischer Richtungen nach Wittenberg. Mit Christoph Scheurl, einem humanistisch geprägten Juristen, den er 1506 in Bologna getroffen hat, war ein Mitarbeiter gewonnen, der Anregungen für eine humanistische Reform der Universität geben konnte. Scheurl formulierte die vom Kurfürsten erlassenen Statuten für die Universität im Jahre 1508 und ließ große Freiheiten in der Ausgestaltung. So konnten sich auf dem Nährboden intellektueller Offenheit Vertreter so unterschiedlicher Strömungen wie der Mystischen Theologie im Anschluss an Bernhard von Clairvaux und Johannes Tauler, scholastischer Theologie im Sinne der Via Antiqua (Thomismus) durch Andreas Bodenstein von Karlstadt, aber auch reformorientierte Nominalisten und von humanistischer Gelehrsamkeit geprägte Wissenschaftler versammeln. Hier reifte in einem langen Entwicklungsprozess ein reformoffenes Bibelverständnis, das dann von Luther in der reformatorischen Theologie zwischen 1512 und 1518 ausgebildet wurde.
Das Scheitern seiner Unionsbemühungen bewog Staupitz 1512 dazu, seine Professur abzugeben. Martin Luther wurde zum Winter 1512 mit der Lectura in biblia betraut. Staupitz intensivierte noch einmal seine Unionsbemühungen, zog sich aber seit 1515 mehr und mehr zurück. Er war ein beliebter Fastenprediger in Salzburg, München und Nürnberg. Die Entwicklung des Lutherprozesses entfremdete auch die beiden seelsorgerlich eng verbundenen Augustiner zunehmend. Am 28. August 1520 übergab Staupitz sein Vikarsamt an Wenzeslaus Link. Er selbst wechselte 1520 auf Einladung des Salzburger Erzbischofs Matthäus Lang in die Benediktinerabtei St. Peter. 1521 erhielt er Dispens zum Ordenswechsel und wurde 1522 noch einmal Abt der Kongregation. In dieser Funktion starb er am 28. Dezember 1524 in Braunau am Inn.
Verfasser: Markus Wriedt
Signatur: Mscr.Dresd.R.96,S.26 (zum Digitalisat).
Edition der Quelle: Johannis Staupitii [...] opera = Johann von Staupitzens sämtliche Werke/ hrsg. von J. K. F. Knaake. Bd. 1. Potsdam 1867, S. 13.
Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.