Bittschreiben für einen kurfürstlichen Untertan
In dem vorgestellten Schreiben wendet sich Luther mit einer Fürbitte an den kurfürstlichen Beamten Hans von Taubenheim (†1541), der von 1519 bis 1540 das Amt des Landrentmeisters im Kurfürstentum Sachsen ausübte. In dieser Funktion stand er an der Spitze der kursächsischen Finanzverwaltung. Der Landrentmeister war der unmittelbare Ansprechpartner des Kurfürsten in Finanzangelegenheiten. Ihm oblag die Aufsicht über die kursächsischen Ämter, aus denen er die Einkünfte bezog. Zudem war er auch für die Betreuung der auswärtigen Finanzgeschäfte Kursachsens zuständig. Hans von Taubenheim sympathisierte früh mit der Reformation, bereits zu Neujahr 1522 empfing er in Eilenburg das Abendmahl in beider Gestalt.
Luthers Fürbitte, die sich auf den Schosser (oder Schösser) zu Seyda, Wolf Hilt(e)ner bezieht, erhielt Taubenheim nur in zweiter Instanz. Am gleichen Tag schrieb Luther in dieser Sache auch an Kurfürst Johann Friedrich selbst (WAB 8, S. 448, Nr. 3340) und bezog sich dabei auf ein vorangegangenes Schreiben vom 5. April 1539 (WAB 8, S. 402, Nr. 3318), dessen Beantwortung er anmahnt. Aus diesem früheren Brief wird der Hintergrund der Angelegenheit deutlicher: Luther hatte dort mitgeteilt, er sei wegen der plötzlichen Entlassung („kurtzen abschied“) Hiltners gebeten worden, sich für diesen zu verwenden. Wegen der Not von Hiltners Familie möge der Kurfürst Hiltner erlauben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, und ihm genug Zeit einräumen, „sich anderswo hin zuthun“, also an einem anderen Ort eine Stellung zu finden. Hiltner, der bereits von Friedrich dem Weisen in das Amt des Schossers eingesetzt worden war, also bereits vor 1525, wurde offenbar vorgeworfen, eine bestimmte Menge Korn nicht abgeliefert zu haben. Aufgabe eines Schossers war die Finanzverwaltung eines Amtes. Er hatte den Schoss (Steuer) einzunehmen und das Schossregister zu führen. Die Herrschaft Seyda, welche die kleine Stadt, 16 Dörfer und 9 wüste Marken umfasste, hatte Kurfürst Friedrich der Weise im Jahr 1501 von den Schenken von Landsberg erworben und zu einem kurfürstlichen Amt gemacht. 1547 kam es mit dem Kurkreis an die Albertiner.
In seinem zweiten Schreiben an den Kurfürsten regte Luther nun an, der Kurfürst möge Hiltner eine bis zu einem bestimmten Termin zu entrichtende Geldstrafe auferlegen, damit dieser nicht mit Weib und Kind völlig in Not gerate. Hiltner sei damit einverstanden. Ein Grund, der den besonderen Einsatz Luthers für Hiltner erklären kann, findet sich im vorgestellten Schreiben an Taubenheim: Die Hilfe für den entlassenen Schosser in dessen „grosser not“ geschah auch „vmb seiner schwester willen zu Coburg“. Bei dieser handelt es sich um Barbara, die Ehefrau des Kastners Paul Bader (†1541) zu Coburg, mit der Luthers Ehefrau Katharina im Briefwechsel stand (WAB 5 S. 545f., Nr. 1683). Bader – als Kastner für die Verwaltung auf der Burg zuständig – hatte Luther während dessen Aufenthalts auf der Veste Coburg von Mitte April bis Anfang Oktober 1530 offenbar gut versorgt. 1528/1529 gehörte Bader bei der ersten Visitation im Kurfürstentum Sachsen zu den Visitatoren im fränkischen Landesteil. Gut denkbar, dass die Aufforderung zu dem Bittgesuch ursprünglich von Baders Frau, der Schwester Hiltners, an Luther gelangt ist.
Verfasser: Christian Winter
Signatur: Mscr.Dresd.R.96,S.56-57 (zum Digitalisat).
Edition der Quelle: WAB 8, 448f. (Nr. 3341).
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