Nickel Schirlentz war in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit mehr als 350 Einzeldrucken neben Hans Lufft und Georg Rhau der wichtigste und produktivste Buchdrucker Wittenbergs. Am Beginn seines Wirkens, das von Mitte 1521 bis Ende 1546/Anfang 1547 reichte, war er zunächst vor allem für Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, tätig und bediente mit seinen frühen Drucken die vorwärtsdrängende, radikalere Richtung der Wittenberger Reformation. Als Karlstadt im Zuge der sogenannten „Wittenberger Bewegung“ von 1521/1522 zunehmend geächtet wurde und man dessen Schriften der Zensur unterwarf, fand Schirlentz im Frühjahr 1522 in Martin Luther einen neuen Hauptauftraggeber, von dessen Schriften er in der Folge bis zur Schließung seiner Offizin mehr als 190 Ausgaben herausgebracht hat.
Sein im Ganzen recht erfolgreiches Druckschaffen bildete die Grundlage eines bescheidenen Wohlstands, von dem auch diverse Grundstückskäufe zeugen, die freilich nicht immer reibungslos verliefen. Das vorliegende eigenhändige Schreiben mit Unterschrift – „Nickel Schirlentz, Büchdrucker“ – vom 6. Juni 1546 ist hierfür ein Beleg. In ihm bittet Nickel Schirlentz den Bürgermeister der Stadt Wittenberg – 1546 war das der bekannte Jurist Ambrosius Reuter – um Beistand in einem Streit um ein vor dem Elstertor gelegenes kleines Haus mit Garten. Laut eigenem Bekunden hatte der Buchdrucker dieses bescheidene Anwesen im Gesamtwert von 70 Gulden Anfang 1546 von den Nachkommen des Nickel Grosser rechtmäßig erworben und, nachdem er wie vereinbart gleich nach Abschluss des Kaufvertrages eine erste Rate in Höhe von zehn Gulden und kurz darauf eine weitere über fünf Gulden geleistet hatte, zu Ostern (25. April) 1546 in Besitz genommen. Als er, wie Schirlentz weiter ausführt, damit begonnen habe, das Haus auszubessern und den Garten zu bestellen, seien daraufhin die Witwe des Nickel Grosser, deren Tochter Ursula und ihr Mann erschienen und hätten das Anwesen vor dem Rat wieder eingefordert, indem sie auf eine bestehende Ehestiftung zugunsten der beiden Eheleute verwiesen. Schirlentz bittet daher den Bürgermeister, er wolle die betreffenden Personen vor den Rat zitieren und sie darüber befragen, was es mit der angeblichen Ehestiftung wirklich auf sich habe und ob es den Tatsachen entspreche, dass ihm die Witwe Grosser samt ihren drei Kindern (Ursula, Valentin und Wolfgang Grosser) den Garten und das Haus „erblich und unwiderruflich verkauft“ hätte. Zur Bekräftigung seiner Ansprüche verweist er auf den Kaufbrief und vier namentlich genannte Zeugen und Nachbarn, die bei dem Handel dabei gewesen seien und die Richtigkeit seiner Angaben bestätigen könnten. Ferner ersucht er Bürgermeister und Rat um ein rechtsverbindliches Schriftstück, das ihm das Eigentum an seinem kleinen Anwesen auf Dauer und unanfechtbar garantiere.
Der weitere Verlauf des Streits ist unklar. Möglicherweise wurde der Kaufvertrag rückabgewickelt bzw. für nichtig erklärt, da in den Wittenberger Quellen nach 1546 weiterhin die „Nickel Grosserin“, also die Witwe von Nickel Grosser, als Inhaberin dieses Grundstücks in der Elstervorstadt erscheint.
Verfasser: Stefan Oehmig
Signatur: Mscr.Dresd.Aut.2244 (zum Digitalisat).
Edition der Quelle: Stefan Oehmig: „Gedruckt zu Wittemberg durch Nickel Schirlentz“. Zum Leben und Wirken des Wittenberger Reformationsdruckers Nickel Schirlentz. In: Buchdruck und Buchkultur im Wittenberg der Reformationszeit, hg. von Stefan Oehmig. Leipzig: EVA 2015, S. 165–167.
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