Dresdner Reformatorenbibel: Caspar Cruciger d. Ä.
Als der Wittenberger Erzschmied Hans Reichknecht im Jahr 1562 Autographen und Porträts der Wittenberger Reformatoren sammelte, um sie in seine „Familienbibel“ einzukleben, wandte er sich auch an den Wittenberger Theologieprofessor Caspar Cruciger d. J. (1525–1597) mit der Bitte, ihm ein Autograph seines Vaters Caspar Cruciger d. Ä. (1504–1548) zur Verfügung zu stellen, der zu den engsten Mitarbeitern und Freunden Luthers und Melanchthons gehört hatte, jedoch schon 1548 in Alter von 44 Jahren verstorben war. Der aus Leipzig stammende Cruciger d. Ä. hatte in Leipzig und Wittenberg studiert. Nach kurzem Wirken als Prediger und Rektor der evangelischen Stadtschule in Magdeburg (1525–1528) wurde er als Professor an die Universität Wittenberg berufen, wo er zunächst an der Philosophischen Universität wirkte. Nach seiner Promotion zum Dr. theol. (1533) wurde er Mitglied der Theologischen Fakultät. Er schrieb Predigten Luthers mit, übersetzte und publizierte Schriften Luthers und Melanchthons, wirkte bei der Revision der Lutherbibel mit und gab auch eigene Schriften in den Druck. Seine Vorlesung über das Nizänische Glaubensbekenntnis wurde 1550 postum von Melanchthon herausgegeben und weitergeführt. Cruciger d. Ä. war wiederholt Rektor der Universität Wittenberg. Im Sommer 1539 war er bei der Einführung der Reformation in seiner Heimatstadt Leipzig beteiligt. Neben Melanchthon vertrat er Kursachsen bei den Religionsgesprächen in Hagenau, Worms und Regensburg (1540/1541).
Das in die Dresdner Reformatorenbibel eingeklebte und durch einen roten Rahmen hervorgehobene Autograph Crucigers d. Ä. umfasst nur sieben Zeilen, die Cruciger d. J. aus einem Manuskript seines Vaters herausschnitt, über dessen Herkunft und Inhalt nichts weiter bekannt ist. Das Autograph enthält eine Aussage über Gott als ein „ewiges, verständiges Wesen allmächtiger und unermesslicher Gewalt und Macht“. Verwiesen wird auf die Schöpfungsgeschichte im 1. Buch Mose. Über der Handschrift seines Vaters beglaubigte Cruciger d. J. die Echtheit mit der Notiz: „Doctor Caspar Creutziger seligen handtschrifft“.
Das eingeklebte Handschriftenfragment Crucigers d. Ä. ähnelte in dieser Form noch nicht den „richtigen“ Bucheinträgen der Reformatoren, wie sie an anderer Stelle auch von Cruciger d. Ä. überliefert sind. Deshalb fügte Cruciger d. J. einen Text hinzu, den er mit eigener Hand schrieb. Er wählte dafür einen Text, den Melanchthon selbst oft als Eintrag in Exemplare der Lutherbibel oder andere Bücher schrieb, wenn er um ein Autograph gebeten wurde: eine kurze paraphrasierende Auslegung des Bibelwortes Kolosser 3, 16, das Cruciger d. J. so zitiert: „Die Rede des herrn Christi soll in euch reichlich wonen in aller Weisheit, und ir sollt euch untereinander leren und erinnern“. Die Erklärung liest sich als eine Ermahnung, die Lehre Jesu Christi oft zu hören (in der Predigt), sie selbst zu lesen (in der Bibel) und „fleißig zu bewahren“. Am Ende steht der persönliche Zuspruch an den Leser, dass Gott ihm seinen Heiligen Geist das Herz geben wird, dass er ihn lehrt, schützt, regiert und am Leben erhält. Er „wird dir mitteilen sein Licht, Weisheit, Gerechtigkeit und Freude in Ewigkeit.“ Cruciger d. J. unterzeichnete den Bucheintrag Melanchthons mit seinem Namen am Pfingstfest (17. Mai) 1562. Dass er einen Melanchthontext für diesen Eintrag wählte, zeigt seine Verbundenheit mit seinem ehemaligen Lehrer. Der 1525 in Wittenberg geborene Cruciger d. J. wurde schon im Alter von sieben Jahren an der Universität Wittenberg immatrikuliert. Wenige Jahre später begann er mit dem Studium bei Melanchthon und wirkte nach dem Abschluss des Studiums als Dozent an der Philosophischen Fakultät. Als nach dem Tod Melanchthons dessen Lehrverpflichtungen auf mehrere Professoren verteilt wurden, übernahm Cruciger d. J. Vorlesungen an der Theologischen Fakultät. In den theologischen Auseinandersetzungen dieser Zeit vertrat er engagiert die Position Philipp Melanchthons. Als 1574 den Wittenberger „Philippisten“ (Anhängern Melanchthons) Kryptocalvinismus (heimlicher Calvinismus) unterstellt wurde, verlor er seine Stelle und wurde 1576 aus Kursachsen ausgewiesen. Zuletzt wirkte er als Pfarrer und Präsident des Konsistoriums in Kassel.
Verfasser: Hans-Peter Hasse
Signatur: Mscr.Dresd.A.51.a,Bl.12 (zum Digitalisat).
Edition der Quelle: Nicht nachgewiesen.
Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.