Die Messe auf den Tod des ersten albertinischen Kurfürsten
Am 11. Juli 1553 starb Moritz von Sachsen in Sievershausen (heute ein Stadtteil von Lehrte, Niedersachsen) an den Folgen einer Verletzung, die er sich zwei Tage zuvor in einer der besonders blutigen Schlachten der zeitgenössischen konfessionell aufgeheizten Kriege zugezogen hatte. Beigesetzt wurde sein Leichnam im Chor des Freiberger Doms; dort wurde 1563 das „Moritz-Monument“ zu seinem Gedenken errichtet.
Moritz hatte 1547 die Kurwürde von seinem ernestinischen Verwandten, Johann Friedrich I., übernommen, nachdem dieser den von ihm angeführten Schmalkaldischen Krieg gegen den Kaiser verloren hatte. In seiner Politik anfänglich auf einen Ausgleich mit dem Kaiser ausgerichtet, bereitete Moritz mit dem Passauer Vertrag 1552 den späteren Augsburger Religionsfrieden (1555) vor; in der Konfessionspolitik des mittleren 16. Jahrhunderts ist diese Entwicklung untrennbar mit seinem Namen verknüpft.
Zu den Memorialfeiern entstand die „Missa super Epitaphium Mauricij Electoris Saxoniæ“ (so der verkürzte Titel hier auf der ersten Doppelseite); geschrieben wurde sie von Antonio Scandello, der 1517 in Brescia geboren worden war und den Moritz 1549 in Italien für die eben gegründete Dresdner Hofkapelle anwarb. In ihr wirkte er zunächst noch unter Johann Walter; von 1568 bis zu seinem Tod 1580 war er selbst Hofkapellmeister. Die Aufführung dieser aufwendigen, sechsstimmigen Messe war nicht an ihren Entstehungsanlass gebunden; das erhaltene Exemplar wurde 1562 in Torgau von dem aus Pirna stammenden Moritz Bauerbach kunstvoll abgeschrieben, der in der Torgauer Kapelle als Tenorist wirkte.
Bauerbach legte die Abschrift in Chorbuchnotation an. Dies war in der Reformationszeit ein geläufiger Notationstypus für Vokalmusik. Auf jeder aufgeschlagenen Doppelseite des großformatigen Bandes (52 x 40 cm) ist die Musik für das gesamte Ensemble notiert; die sechs Interpreten mussten sich daher so vor dem Buch aufstellen, dass sie alle die Notation im Blick hatten. Der verfügbare Platz wird ausgeschöpft; doch die Parts enden nur ausnahmsweise am Zeilenschluss (Cantus primus, Altus). Der Grund dafür ist, dass das Umblättern auf die Musiknotation des Gesamtensembles ausgerichtet ist: Selbstverständlich müssen dafür alle Stimmen an derselben Stelle des musikalischen Verlaufs angelangt sein. Auf der nächsten Doppelseite findet sich dann ein weiterer, vorn und hinten „koordiniert abgemessener“ Abschnitt.
Wann genau die Abschrift Bauerbachs nach Pirna gelangte, ist unbekannt. In der umfangreichen Pirnaer Musikaliensammlung, die auch für die Überlieferung des Werkes von Heinrich Schütz eine herausragende Bedeutung hat, ist er anderweitig nicht als Schreiber nachweisbar.
Verfasser: Konrad Küster
Signatur: Mus.Pi.Cod.I,3.Faszikel, fol. 13v/14r (zum Digitalisat).
Edition der Quelle: Antonio Scandello, Missa super epitaphium Mauricii electoris Saxoniae: Messe für 6 Stimmen a cappella/ hrsg. von Helmut Brook, Beeskow 2009 (Musik zwischen Elbe und Oder; 22).
Literatur: Wolfram Steude: Die Musiksammelhandschriften des 16. und 17. Jahrhunderts in der Sächsischen Landesbibliothek zu Dresden, Leipzig und Wilhelmshaven 1974 (Quellenkataloge zur Musikgeschichte, 6), S. 198f.