Autograph der Woche Ausgabe 42 von 95 |

Brief Martin Luthers an Nikolaus von Amsdorf, 11. Januar 1539.

Signatur: Mscr.Dresd.R.96

Über 100 Briefe Luthers an Nikolaus von Amsdorf (1483–1565) haben sich erhalten. Das Dresdner Autograph erreichte Amsdorf am 11. Januar 1539 als „Theologen und wahren Bischof der Kirche von Magdeburg“. Amsdorf gehörte zu den frühesten Parteigängern Luthers und ist es sein Leben lang geblieben.

Schon vor Luther führte ihn sein Weg als Philosophieprofessor an die damals noch junge Universität Wittenberg. Als Luther in sein Blickfeld trat, war Amsdorf schon zweimal Dekan der philosophischen Fakultät und einmal Rektor der Universität gewesen. Im Rahmen eines Promotionsverfahrens im Jahre 1516, bei dem Thesen Luthers über den Römerbrief disputiert wurden, kam er erstmals in intensiveren Kontakt mit seinem begabten und originellen Kollegen. Er bleibt ihm als enger Vertrauter, Freund und Mitstreiter in allen Höhen und Tiefen verbunden, obwohl er auf Vermittlung Luthers 1524 als leitender Geistlicher für fast zwei Jahrzehnte nach Magdeburg geht. In dieser bedeutenden und mächtigen Stadt obliegt ihm die Durchsetzung der Reformation gegen Altgläubige und „Schwärmer“ gleichermaßen. Im Januar 1542 weiht ihn Luther zum ersten evangelischen Bischof in Zeitz-Naumburg. Die aufreibende Ausübung dieses Amtes, die Luther mit zahlreichen Briefen und gelegentlichen Besuchen begleitete, scheiterte letztlich an der Niederlage der Evangelischen im Schmalkaldischen Krieg 1547.

Der Dresdner Originalbrief ist ein Gelegenheitsschreiben ohne direkten Anlass, aber in seiner Art aufschlussreich. Denn er zeugt von dem lebendigen Austausch zwischen den Reformatoren, die im Brief das zentrale Medium der Kommunikation erblickten. Briefe wurden von Boten übermittelt. Weil ein solcher aus irgendeinem nicht bekannten Grund nach Magdeburg aufbricht, nutzt Luther gern die Gelegenheit, „seinem Amsdorf“ einige Zeilen zukommen zu lassen. Die Reformatoren waren offenbar, wie wir heute sagen würden, ausgezeichnete „Netzwerker“; die Beziehungspflege ist wohl das Hauptziel dieses Briefes.

Zunächst gibt Luther tagesaktuelle politische Informationen weiter, die sich gerüchteweise im Reich verbreiten. Seine Auskünfte über Kaiser Karl V., dass dieser frisch aufgerüstet gegen die Evangelischen im Anmarsch sei, haben sich allerdings nicht bewahrheitet. Denn Karl V. weilte das ganze Jahr 1539 in Spanien; seine Rüstungsabsichten gelten der Abwehr der gefährlich vordringenden Türken. Natürlich kann sich Luther eines bitter-ironischen Seitenhiebes auf den Papst als wahren „Bedränger und großen Märtyrer der Kirche“ bei dieser Gelegenheit nicht enthalten.

Auch für seinen alten Widersacher Hieronymus Aleander (1480–1542), seit 1538 von Papst Paul III. zum Kardinal erhoben, hat Luther nur Spott übrig. Er reise im Reich umher wie ein „Terminarier“, d. h. ein Bettelmönch, der nicht Käse, sondern Könige erbettele. „Gott vernichte seine Pläne und vergelte ihm gemäß seiner Werke. Amen.“

Ein wichtiges Anliegen der gelehrten Welt jener Tage war der Austausch aktueller Druckwerke, die man einander dedizierte. So gibt Luther dem Boten zwei eigene, noch druckfrische biblische Auslegungen des Matthäusevangeliums und des Hoheliedes mit. Es handelt sich um die „Annotationes in aliquot ca. Matthaei“ (1538) und „In Cantica canticorum [...] enarratio“ (1539).

Das Studium der Bibel blieb Amsdorf das wichtigste Anliegen seines Lebens. Lebenssatt, als „Exul“ und vertriebener Bischof von Zeitz, erbittet er sich von seinem Herrn nur noch, in eine Kammer in Eisenach ziehen zu dürfen, um seine alten Tage mit dem ungestörten Studium der Heiligen Schrift zu beschließen.

Verfasser: Friedrich Christoph Ilgner

Signatur: Mscr.Dresd.R.96,S.52-53 (zum Digitalisat).

Edition der Quelle: WAB 8, S. 354 f. (Nr. 3290).

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