Autograph der Woche Ausgabe 74 von 95 |

Autograph von Justus Jonas d.Ä. (1493–1555) mit Bestätigung der Echtheit (1562) durch Justus Jonas d.J. (1525–1567).

Signatur: Mscr.Dresd.A.51.a

Die „Dresdner Reformatorenbibel“ enthält auf den Vorsatzblättern eine Autographen- und Porträtsammlung der Wittenberger Reformatoren, die der Wittenberger Erzschmied Hans Reichknecht um 1562 anlegte. Da die bekannten Reformatoren „der ersten Stunde“ (Luther, Melanchthon, Bugenhagen, Jonas, Cruciger, Forster) bereits verstorben waren, musste sich der Sammler mit der Bitte um ein Autograph an die Familien der Reformatoren wenden. Im Fall des Justus Jonas d.Ä. (1493–1555) wandte er sich an dessen gleichnamigen Sohn Jonas d.J. (1525–1567), der von 1561 bis 1564 als Substitut des Professors für Rechtswissenschaft Dr. Lorenz Lindemann an der Juristischen Fakultät in Wittenberg Vorlesungen hielt. Jonas d.J. war von seinem Vater im Alter von fünf Jahren (!) an der Universität Wittenberg immatrikuliert worden. Nach Studien in Wittenberg und Leipzig wurde er 1560 in Leipzig zum Doktor beider Rechte promoviert. Dem Autographensammler übergab er einen winzigen Zettel mit sieben lateinischen Wörtern aus der Feder seines Vaters, die auf ein Blatt aufgeklebt und mit einem roten Rahmen verziert wurden. Mit einem längeren Eintrag bestätigte Jonas d.J. die Echtheit der Handschrift, ohne etwas zur Herkunft des Autographs zu sagen, das er offenbar aus einem Manuskript seines Vaters herausgeschnitten hatte.

Der kurze Text wurde gezielt mit Bezug auf seinen Zweck ausgewählt. Jonas d.J. erwähnte, dass „Meister Hans“ [Reichknecht] bei den Bildnissen der „gottseligen lieben Väter und Praeceptoren“ auch deren Handschriften haben wollte. Das Thema „Bilder“ lieferte das Stichwort für die Auswahl des Textes: „Exemplumque dei quisque est in imagine parva“ (Ein jeder [Mensch] ist ein Abbild Gottes in einem kleinen Bild). Jonas d.Ä. zitierte einen Vers aus dem Lehrgedicht „Astronomica“ des römischen Dichters Marcus Manilius (1. Jh. n. Chr.), mit dem die antike Vorstellung vermittelt wird, dass sich im Menschen der Kosmos als Mikrokosmos abbildet und der Mensch ein Abbild Gottes sei. Das Zitat wurde damals von Melanchthon in Texten zur Anthropologie (Liber de anima), Schöpfungstheologie und Astronomie gern herangezogen. Dabei hat er es vermieden, den Namen des „heidnischen“ Dichters zu nennen. So wurde das Zitat christianisiert und in den Kontext der christlichen Schöpfungstheologie gestellt. Ein Beispiel dafür ist Melanchthons Brief an Georg und Ulrich Fugger (24. Februar 1552), der in dem Augsburger Druck (1552) der „Tabulae directionum“ des Astronomen Johannes Müller (Regiomontanus) Vorrede publiziert wurde. Melanchthon eröffnete die Vorrede mit dem Zitat und einer Auslegung des Gedankens, dass der Mensch ein Abbild Gottes sei. Mehr noch als die Spuren Gottes in der Natur beweise die Existenz des vernünftigen Menschen die Existenz des vernünftigen Schöpfers. In den ewigen und unveränderlichen mathematischen, logischen und ethischen Begriffen des menschlichen Geistes spiegele sich der Geist Gottes. Wie Strahlen des Lichtes habe Gott seine Weisheit unter den Menschen ausgestreut, damit sie erkennen, dass er Gott ist. Melanchthon lobt unter den Erneuerern der Astronomie auch Regiomontanus, dessen Schriften ihm vertraut waren. Vielleicht kannte er die Ausgabe der „Astronomica“ des Manilius, die Regiomontanus 1472 publiziert hatte. Dort oder in einer Ausgabe von 1551 (Lyon) hätten Melanchthon und Jonas d.Ä. das von ihnen zitierte Wort finden können.

Justus Jonas d.J. wählte unter den Autographen seines Vaters bewusst dieses Zitat als Beigabe zum Bildnis seines Vaters. Dass aufgrund von Wasserschäden das Porträt des Reformators so auf die Handschrift durchschlug, dass es sich wie ein Spiegelbild genau unter dem gerahmten Spruch abbildet, ist ein merkwürdiger Zufall. Die so entstandene „Bildgrafik“ illustriert postum die Intention von Jonas dem Jüngeren, seinen Vater hier als ein „Ebenbild Gottes“ zu präsentieren.

Verfasser: Hans-Peter Hasse

Signatur: Mscr.Dresd.A.51.a,Bl.12r (zum Digitalisat).

Edition der Quelle: Nicht nachgewiesen.

Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.