Autograph der Woche Ausgabe 61 von 95 |

Widmung Philipp Melanchthons für Martin Luther auf dem Titelblatt eines Drucks der Augsburgischen Konfession und deren Apologie, 1531.

Signatur: Mscr.Dresd.A.130

Ein Buch aus Luthers Bibliothek

Das vorliegende Buch stammt aus Luthers Bibliothek. Das zeigt die handschriftliche Widmung Philipp Melanchthons für Luther auf dem Titelblatt des Druckes: „D[omino] Doctori Martino. Et Rogo ut legat et emendet“ (Herrn Doktor Martinus. Und ich bitte, dass er es lesen und verbessern möge). Die Bitte um eine kritische Lektüre bezieht sich auf die lateinisch-deutsche Ausgabe der „Augsburgischen Konfession“ (1530) und deren „Apologie“, die 1531 von Georg Rhau in Wittenberg gedruckt wurde.

Am 25. Juni 1530 wurde auf dem Augsburger Reichstag die „Augsburgische Konfession“, das Bekenntnis der evangelischen Stände, dem Kaiser übergeben. Die römisch-katholischen Theologen verfassten daraufhin eine „Widerlegung“ („Confutatio“), auf die die Protestanten ihrerseits mit einer „Apologie“ (Verteidigung) antworteten. Da den evangelischen Theologen der Text der „Confutatio“ auf dem Reichstag nicht ausgehändigt wurde, waren Melanchthon und seine Mitstreiter zunächst auf Mitschriften Dritter angewiesen. Als Melanchthon endlich in den Besitz eines Exemplars der „Confutatio“ gelangte, überarbeitete er den Text der „Apologie“ noch einmal völlig neu, um ihn dann in Wittenberg drucken zu lassen. Die Arbeit an dem Text war damit allerdings noch nicht beendet. In der Auswertung kritischer Relektüre entstanden später verbesserte Textfassungen sowohl des lateinischen Textes als auch der deutschen Übersetzung, die Justus Jonas besorgte. Melanchthon war bei dieser Publikation der maßgebliche Verfasser und „Redakteur“.

Melanchthon übergab Luther – vermutlich im Oktober 1531 – das vorliegende Exemplar der lateinisch-deutschen Ausgabe der Augsburgischen Konfession und der Apologie als Geschenk mit der Bitte, den Text zu lesen und zu verbessern. Weite Teile des Textes zeigen keine Lesespuren Luthers. Dagegen finden sich an bestimmten Stellen des lateinischen Textes der Apologie Spuren einer intensiven Bearbeitung durch Unterstreichungen und Marginalien. Dazu gehören die Kapitel zur Rechtfertigungslehre mit dem Artikel „Von der Liebe und der Erfüllung des Gesetzes“ und der Antwort auf die Argumente der Gegner. Außerdem finden sich Lesespuren zum Artikel 23 „Über die Priesterehe“ und zum Artikel 27 „Über die Klostergelübde“. Es ist anzunehmen, dass die Notizen Luthers von Melanchthon zur Kenntnis genommen wurden und damit auch die Arbeit an der Verbesserung des Textes der Apologie beeinflusst haben. Ein direkter Beleg für eine  Auswertung der Notizen Luthers durch Melanchthon ist jedoch nicht bekannt.

Das Buch mit den Marginalien Luthers fand später Beachtung bei der Erarbeitung des „Konkordienbuches“, in dem 1580 die normativen lutherischen Bekenntnisschriften zusammengestellt wurden. Bei der Tagung des  Theologenkonventes in Torgau im Mai 1576 wurde der Band mit den Marginalien Luthers den  versammelten Theologen präsentiert. Damals gehörte das Buch bereits zur Bibliothek Kurfürst Augusts von Sachsen und war, wie aus einem Brief des Kurfürsten vom 9. Januar 1580 an seinen Kammersekretär Hans Jenitz hervorgeht, in schwarzes Leder eingebunden. Von dem ursprünglichen Einband ist heute nur noch der Lederbezug der Vorderseite erhalten, der bei der Restaurierung des Buches auf einen neuen Einband aufgeklebt wurde. Wiederholt wurde das Buch von den Theologen, die an der Zusammenstellung der Bekenntnisschriften arbeiteten, ausgeliehen. Der Coburger Superintendent Maximilian Mörlin übertrug Luthers Marginalien in sein eigenes Exemplar derselben Ausgabe. Das zeigt an, dass in den Diskussionen um die „richtigen“ Textfassungen der evangelischen Bekenntnisse diesem Buch aus dem Besitz Martin Luthers eine normative Autorität beigemessen wurde. Da die Bibliothek Luthers nach seinem Tod zerstreut wurde, gehört dieses Buch zu den besonderen Schätzen aus seinem Nachlass.

Verfasser: Hans-Peter Hasse

Signatur: Mscr.Dresd.A.130 (zum Digitalisat).

Edition der Quelle: WA 30 III, S. 489 mit RN S. 111.

Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.