Autograph der Woche Ausgabe 68 von 95 |

Philipp Melanchthon: Brief an den Rat der Stadt Eilenburg, 15. Oktober 1547.

Signatur: Mscr.Dresd.R.97

Empfehlungsschreiben für einen Wittenberger Studenten

Philipp Melanchthon (1497–1560), die nach Luther wohl bekannteste Persönlichkeit der deutschen Reformation, war 1518 auf den neu errichteten Lehrstuhl für Griechisch an der Universität Wittenberg berufen worden und seitdem einer der engsten Mitstreiter Luthers. Melanchthon schrieb theologische Schriften mit Lehrbuchcharakter, verfasste die Texte bedeutender reformatorischer Schriften wie z.B. die Confessio Augustana und deren Apologie und wirkte an der Bibelübersetzung Luthers mit. Vor allem aber gilt er als der Pädagoge unter den Reformatoren, der den Titel „Praeceptor Germaniae“, Lehrer Deutschlands, bekam. Dieses Verdienst hat er sich durch seine pädagogischen und schulreformerischen Schriften und Aktivitäten erworben. Grundlegend ist z.B. die Schrift „Unterricht der Visitatoren“ von 1528, die infolge betrüblicher Erfahrungen bezüglich des Bildungsstandes von Pfarrern nach Kirchenvisitationen entstand und als Anleitung zur Einführung der Reformation verwendet wurde. Sie enthält ein Kapitel „Von Schulen“, in dem Melanchthon die Lateinschule favorisiert und Bildungsempfehlungen für Prediger und Regierende gibt.

Der hier gezeigte Brief ist zunächst nichts anderes als ein Empfehlungsschreiben für einen Sohn des inzwischen verstorbenen Pfarrers Ambrosius Scheffer (um 1486–1544) von Prettin. David Scheffer (auch Schefer oder Schäfer, 1522–1567) hatte sich auf eine freie Lehrerstelle an der städtischen Schule in Eilenburg beworben. Vorher hatte er in Wittenberg studiert (immatrikuliert 1541) und dafür ein Stipendium für drei Jahre bekommen. Sein Name findet sich in einem von Luther geschriebenen Verzeichnis Wittenberger Stipendiaten (1541); darin wurden ihm jährlich 10 Gulden zugesprochen. Für Ambrosius Scheffer hatte Luther 1543 beim Kurfürsten ein gutes Wort eingelegt. Man kann davon ausgehen, dass sein Sohn David sowohl ihm als auch Melanchthon persönlich bekannt war. Darauf lässt auch schließen, dass ihn Melanchthon einen „ziemlichen grammaticus“ und „fromm“ nennt und ihm in der Zukunft ein kirchliches Verkündigungsamt zutraut. Der Empfehlungsbrief zeigt Melanchthons Interesse, Lehrerstellen mit Personen zu besetzen, die die reformatorische Theologie vertreten und im sich entwickelnden Schulwesen als Multiplikatoren der neuen Lehre wirken können. David Scheffer bekam die Lehrerstelle in Eilenburg. Auch die Prognose eines kirchlichen Amtes erfüllte sich. Scheffer wird schon ein Jahr später (1548) in Sonnewalde zum Pfarrer ordiniert. 1553 bis 1555 ist er Archidiaconus in Freiberg. Dort gibt es theologische Auseinandersetzungen mit dem Superintendenten Caspar Zeuner, die zu einem Verhör in Dresden führen. Melanchthon versucht, in diesen Streitigkeiten zu vermitteln, und rügt Scheffer dafür, dass er sich gegen seinen Superintendenten stellt. Scheffer wird ausgewiesen und übernimmt ein Pfarramt in Salzungen. Dort wird er 1562 aufgrund theologischer Streitigkeiten (Flacianismus) entlassen. Die letzte Pfarrstelle bekleidet er ab 1565 in Eisleben, wo er 1567 stirbt.

Der vorgestellte Brief gewährt einen Einblick in die „Personalpolitik“ der Reformationszeit, in der es besonders darauf ankommt, den wiederentdeckten evangelischen Glauben über Bildungswege zu verbreiten. Zugleich macht er auch auf „sperrige“ Biografien aufmerksam, die sich in der Dynamik hart geführter theologischer Auseinandersetzungen innerhalb der reformatorischen Strömungen bewegen.

Verfasser: Roland Biewald

Signatur: Mscr.Dresd.R.97,Bl.61-62 (zum Digitalisat).

Edition der Quelle: MBW.T 17, S. 213 f. (Nr. 4921).

Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.