Autograph der Woche Ausgabe 19 von 95 |

Martin Luthers Glosse auf das vermeintliche kaiserliche Edikt, 1531

Signatur: Mscr.Dresd.A.155,Bl.41-48,52-55,64-67,84-93.

... und die Weissagung des Johannes Hus

Den Abschied des Augsburger Reichstags vom 19. November 1530, der das Reichsreligionsrecht auf den Stand des Wormser Edikts von 1521 zurückdrehte, nahmen die evangelischen Stände nicht an, sondern reisten aus Augsburg ab, ohne sich mit dem Kaiser und der altgläubigen Ständemehrheit verständigt zu haben. Karl V. setzte ihnen ein Ultimatum bis zum 15. April 1531, um sich in der Glaubensfrage zu unterwerfen.

Ein gedrucktes Exemplar des Reichsabschieds traf Anfang März 1531 in Wittenberg ein. Luther hatte sich bereits um die Jahreswende 1530/1531 in der „Warnung an seine lieben Deutschen“ mit den Augsburger Vorgängen auseinandergesetzt und insbesondere die Behauptung zurückgewiesen, das Augsburger Bekenntnis sei auf dem Reichstag widerlegt worden. Der Reichsabschied, den er konsequent als „Edikt“ bezeichnet, ließ ihn erneut zur Feder greifen. Die zwischen Mitte März und Anfang April 1531 abgefasste „Glosse“ (d. h. Kommentierung) des Abschieds lag bereits am 14. April im Druck vor. Luther begann mit dem Kunstgriff, nicht den „frommen Kaiser“, sondern „Verräter und Bösewichte“ sowie den „Hauptschalk“ Papst Clemens VII. und seinen Gesandten Campeggio als Verantwortliche für den Text hinzustellen. Das „vermeintlich“ im Titel verweist also darauf, dass tatsächlich nicht der Kaiser die Verantwortung trage. So schützt sich Luther vor dem Vorwurf, er sei dem Kaiser gegenüber ungehorsam und respektlos.

Die Behauptung, das Augsburger Bekenntnis der evangelischen Fürsten und Städte sei auf dem Reichstag auf biblischer Grundlage widerlegt worden, weist er in einem ersten Argumentationsgang zurück. Die Berufung auf das „Einsprechen“ des Heiligen Geistes, das die Gegenseite zur Begründung ihrer unbiblischen Meinung ins Feld führt, lässt er nicht gelten. Viel Raum nimmt zweitens die Verteidigung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt ein. Diese von Gott gebotene Form kann von der Kirche nicht geändert werden. Die Lehre von der Messe als Opfer wird ebenfalls zurückgewiesen. Drittens geht es um den freien Willen. Wie schon in anderen Schriften betont Luther, dass der freie Wille gegen Gott „tot und nichts“ ist. Der vierte Punkt betrifft den Hauptartikel des christlichen Glaubens, nämlich dass allein der Glaube ohne Werke gerecht macht. An dieser Stelle wird er besonders feierlich: „So sage ich Doktor Martinus Luther, unseres Herrn Jesu Christi unwürdiger Evangelist, dass diesen Artikel (Der Glaube allein ohne alle Werke macht gerecht vor Gott) soll lassen stehen und bleiben der römische Kaiser, der türkische Kaiser, der tatarische Kaiser, der persische Kaiser, der Papst, alle Kardinäle, Bischöfe, Pfaffen, Mönche, Nonnen, Könige, Fürsten, Herren, alle Welt samt allen Teufeln, und sollen das höllische Feuer dazu haben auf ihren Kopf und keinen Dank dazu“. Schließlich kommentiert Luther die Passagen des Reichsabschieds, in denen das Verbot von Neuerungen im Hinblick auf Zölibat, Einhaltung kirchlicher Vorschriften und Rückerstattung von Kirchengut eingeschärft wird. Die Predigtklausel des Reichsabschieds unterzieht er einer genaueren Prüfung.

Am Ende kommt er auf den Vorwurf zu sprechen, der ihm von altgläubiger Seite immer wieder gemacht wurde: Er habe kein Recht, etwas in der Kirche zu ändern. Aus Ruhmsucht darf man nichts beginnen, stellt Luther fest, sondern es bedarf der göttlichen Berufung. Er sei aber gezwungen worden, das Doktoramt anzunehmen. Er habe seiner allerliebsten Heiligen Schrift schwören und geloben müssen, sie treulich und lauter zu predigen und zu lehren. Das sei seine Lebensaufgabe. Diese Berufung rückt Luther in einen größeren Zusammenhang, indem er – im hier abgebildeten Blatt des Manuskripts – auf die Weissagung des Johannes Hus hinweist: „S. Johannes Hus hat von mir geweissagt, da er aus dem gefengnis ynn behemerland schreib, sie werden itzt eine Gans braten (denn Hus heysst eine Gans) Aber vber hundert iaren, werden sie einen Schwanen singen horen ...“ (dass sie heute eine Gans braten, aber in hundert Jahren einen Schwan werden singen hören). Diesen Gesang müssen seine Gegner nun ertragen („Des sollen sie leiden, da solls auch bey bleiben, ob Gott wil“).

Verfasser: Armin Kohnle

Signatur: Mscr.Dresd.A.155,Bl.41-48,52-55,64-67,84-93 (zum Digitalisat)

Edition der Quelle: WA 30 III, S. 321-388 (Text der Handschrift und der Druckversion S. 331-388).

Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.