Autograph der Woche Ausgabe 29 von 95 |

Brief von Caspar Cruciger d. Ä. an einen Unbekannten, 12. August 1541.

Signatur: Mscr.Dresd.App.92

Nachrichten aus Wittenberg und Leipzig

Der vierseitige lateinische Brief vom 12. August 1541 aus Leipzig wurde von dem Wittenberger Theologieprofessor Caspar Cruciger (1504–1548) geschrieben. Der Adressat wird nicht namentlich angeredet, die Adresse ist nicht überliefert. Auf einen möglichen Empfänger sei hier hingewiesen. Der Brief berichtet von der Rückkehr Melanchthons vom Regensburger Religionsgespräch und von den jüngsten Entwicklungen in Wittenberg sowie in Leipzig, wo die Reformation erst zwei Jahre zuvor, am Pfingstsonntag, dem 25. Mai 1539, eingeführt worden ist. Zum Teil nur mit Vornamen oder nur mit dem Titel bezeichnete Personen setzen Insiderwissen beim Empfänger voraus, der selbst freilich längere Zeit weder in Leipzig noch in Wittenberg gewesen ist, da er sonst nicht der mitgeteilten Neuigkeiten bedurft hätte. Bestimmte, an einen vorangegangenen Brief Crucigers (CR 4 Nr. 2323) anknüpfende Mitteilungen, eine griechische Bemerkung, die die Griechischkenntnis des Empfängers voraussetzt, sowie eine zu erwartende Vertrautheit mit dem im Brief nur „Joachim“ genannten Philologen Joachim Camerarius könnten auf Crucigers langjährigen Wittenberger Amtskollegen Justus Jonas (1493–1555) als Adressaten hindeuten. Der Theologieprofessor Justus Jonas wirkte 1539 neben Cruciger, Mykonius, Luther und Melanchthon bei der Einführung der Reformation in Leipzig mit und war seit April 1541 als Reformator in Halle tätig. 1541 reiste Cruciger nach Leipzig und schrieb dort diesen Brief, dessen Inhalt hier verknappt wiedergegeben wird.

Cruciger berichtet, er sei nach Leipzig gerufen worden, um die Teilung des hinterlassenen Erbes seiner Schwiegermutter und die Versorgung der noch nicht erwachsenen Kinder zu klären. Am 5. August sei Philipp Melanchthon nach Wittenberg zurückgekehrt. Der Adressat dürfte einen Brief von ihm erhalten haben. Bei der rechten Hand von Melanchthon ist noch keine Besserung eingetreten, es reicht aber zum Schreiben. Ob er die Strecktherapie eines von ihm in Zwickau angetroffenen Chirurgen annehmen soll, weiß er noch nicht. In Wittenberg empfing ihn universitäres Durcheinander. Der aus Italien zurückgekehrte Magister Johannes Saxo aus Holstein hat beim Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen mit Unterstützung von Martin Luther die Griechischprofessur erbeten, nachdem er Klage geführt hat, dass er bei Stellenbesetzungen übergangen worden ist, denn er hat weder die Johannes Marcellus zuerkannte Poetikprofessur des verstorbenen Balthasar Vach noch die Paul Eber zuerkannte Professur des Pädagogiums erhalten. Da keine andere Stelle frei war, befahl der Kurfürst, Saxo die Griechischprofessur zu übertragen. Die Universität antwortete, dass Melanchthon die Griechischprofessur und das Gehalt nicht weggenommen werden dürfe.

Der Zustand der evangelischen Kirche in Leipzig ist mittelmäßig. Cruciger hofft, dass diese bestehen bleibt und die Universität erneuert wird. Herzog Heinrich von Sachsen hat seinem Sohn Moritz die Regierungsgeschäfte übertragen. Einige den Wissenschaften und der evangelischen Glaubenslehre zugetane Personen werden zu Beratungen hinzugezogen, so auch Doktor Simon Pistoris. Vielleicht wird er an den Hof zurückberufen. Der Adressat weiß wahrscheinlich, dass Joachim Camerarius an die Universität berufen wurde, mit einem Gehalt von 250 Gulden. Cruciger hofft, dass dieser von Tübingen loskommt. Vier Gehälter für Theologieprofessoren wurden beschlossen, für die erste Stelle 300 Gulden. Cruciger hofft auf die Gewinnung geeigneter Personen. Bernhard Ziegler lehrt hier schon mit Lob. Aber Jakob Schenck könnte Verwirrung stiften. Öffentlich versprach er zwar, zum Wohl von Universität und Kirche zu wirken, doch wurde er vom Leipziger Stadtrat nicht angestellt. Auch wenn er in der Pleißenburg den Burginsassen unter großem Zulauf predigt, sollte ihm keine Stelle übertragen werden, denn den meisten und gerade den Verständigen missfällt er, selbst dem herzoglichen Prinzen. Crucigers schwer erkranktes Töchterchen ist gestorben. Er stellt gern den ihm empfohlenen Diener an, da sein bisheriger weggehen möchte. Am Ende grüßt Cruciger die Ehefrau des Adressaten.

Verfasser: Torsten Woitkowitz

Signatur: Mscr.Dresd.App.92 (zum Digitalisat).

Edition der Quelle: Nicht ermittelt.

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