Autograph der Woche Ausgabe 51 von 95 |

Brief Martin Luthers an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, 6. Juni 1541.

Signatur: Mscr.Dresd.R.96

Was wir heute im Blick auf aktuelle Konflikte feststellen, galt auch schon damals: Friedensverhandlungen sind kompliziert und Konsensgespräche schwierig, wenn seit mehr als einem Jahrzehnt das gegenseitige Misstrauen gepflegt und der jeweils anderen Seite stets die Schuld am Scheitern gegeben wird.

Die von Kaiser Karl V. einberufenen Reichsreligionsgespräche waren ein Versuch, die kirchliche Einheit in Deutschland wieder herzustellen. Die Religionsgespräche in Hagenau (1540) und Worms (1540/1541) hatten nicht zu einem Ausgleich zwischen den Protestanten und der altkirchlichen Partei geführt. Danach wurde im April 1541 auf dem Reichstag in Regensburg ein erneuter Versuch unternommen, in Lehrgesprächen zu einer Verständigung zu gelangen – und zwar auf der Grundlage von Lehrartikeln, die im „Regensburger Buch“ zusammengefasst wurden. Dieses war hervorgegangen aus dem von Martin Bucer und Johannes Gropper in Geheimverhandlungen erarbeiteten „Wormser Buch“. In der Zeit vom 27. April bis zum 22. Mai 1541 fanden in Regensburg Lehrgespräche statt. Auf protestantischer Seite verhandelten Martin Bucer, Philipp Melanchthon und Johannes Pistorius, auf katholischer Seite Johannes Eck, Johannes Gropper und Julius von Pflug, beraten durch den päpstlichen Legaten Gasparo Contarini. Gestritten wurde über das Verständnis der Rechtfertigung aus Glauben, das Papstamt, das Verständnis von Abendmahl und guten Werken und über weitere Lehrfragen. Obwohl es zunächst so aussah, als könnte eine Einigung erreicht werden, stagnierten die Gespräche. Der Kaiser ärgerte sich über die „Halsstarrigkeit“ der evangelischen Theologen, insbesondere über Melanchthon. Um die Gespräche nicht scheitern zu lassen, wurde der Plan erwogen, Luther indirekt an dem Religionsgespräch zu beteiligen. Er sollte nicht nach Regensburg, sondern an einen „Zwischenort“ kommen. Plauen und Coburg waren im Gespräch. Dazu kam es jedoch nicht. Dafür wurde beschlossen, eine Gesandtschaft zu Luther nach Wittenberg zu entsenden, um ihn zur Annahme von vier Artikeln zu bewegen, über die man sich in Regensburg geeinigt hatte – betreffend die Erbsünde, Rechtfertigung, freien Willen sowie Glauben und gute Werke.

Am 2. Juni begab sich die Gesandtschaft, zu der die anhaltischen Fürsten Johann und Georg sowie Gesandte des brandenburgischen Kurfürsten gehörten, auf den Weg nach Wittenberg. Der sächsische Kurfürst Johann Friedrich hatte Luther in einem Schreiben die Gesandtschaft angekündigt. Darauf antwortet ihm Luther mit dem vorliegenden Brief am 6. Juni 1541. Der Brief offenbart Luthers Misstrauen und seine Skepsis, dass eine Einigung in der Lehre zu erreichen sei. Mit scharfen Worten spielt er auf die altgläubigen Gegner Heinrich von Braunschweig und Albrecht von Mainz an: „Gott der herr stortze auch Heintzen und Meintzen, die itzt sind die Weltregenten, nehest dem teuffel. Wolan, ym namen Gottes! Las sie komen!“ (Gott, der Herr, stürze Heinz und Mainz, die jetzt sind die Weltregenten nächst dem Teufel. Wohlan, im Namen Gottes! Lass sie kommen!) Weiter schreibt Luther, er komme sich vor wie beim Reichstag in Worms (1521), als man ihn mit „Worten fangen“ wollte. Den Gegnern in Regensburg attestiert er „eitel Lügen, Falsch und Teufels List“.

Für Luther war der Regensburger Kompromiss Flickwerk. Die Gesandtschaft konnte Luther nicht dazu bewegen, dem „Regensburger Buch“ zuzustimmen. Damit war auch das Bemühen von Kaiser Karl V. gescheitert, auf der Ebene des Reichstages eine Einigung der Religionsparteien zu erreichen.

Verfasser: Joachim Zirkler

Signatur: Mscr.Dresd.R.96,S.111 (zum Digitalisat).

Edition der Quelle: WAB 9, S. 433-436 (Nr. 3628).

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