Autograph der Woche Ausgabe 2 von 95 |

Brief Martin Luthers an den Pirnaer Superintendenten Anton Lauterbach, 3. November 1543.

Signatur: Mscr.Dresd.R.96,S.173-174

Am 3. November 1543 schreibt Martin Luther einen Brief an den Pirnaer Reformator und Superintendenten Anton Lauterbach (1502-1569). Der aus Stolpen stammende Lauterbach hatte in der Zeit von 1528 bis 1533 in Wittenberg studiert, wo er Vorlesungen und Predigten Luthers mitschrieb. Zeitweilig wohnte er in Luthers Haus. 1533 wurde er als Diakon nach Leisnig berufen. 1536 holte ihn Luther zurück nach Wittenberg, wo Lauterbach eine Stelle als Diakon an der Wittenberger Stadtkirche übernahm. 1537 wurde ihm die Magisterwürde verliehen. In dieser Zeit saß er oft an Luthers Tisch, wo er dessen „Tischreden“ in seinem Tagebuch notierte. Als nach dem Tod Herzog Georgs von Sachsen (1539) die Reformation im albertinischen Sachsen eingeführt wurde, wählte ihn der Pirnaer Rat zum Superintendenten. Am 27. Juli 1539 hielt Lauterbach die erste evangelische Predigt in Pirna und führte damit die Reformation in dieser Stadt ein.

Luther stand mit dem Pirnaer Superintenden in einem intensiven Briefwechsel. Mit dem hier vorgestellten Brief antwortet Luther auf einen nicht erhaltenen Brief Lauterbachs, in dem sich der Pirnaer Pfarrer über Äußerungen der herzoglichen Räte Simon von Pistoris (1489–1562) und Georg von Carlowitz (um 1486–1550) beschwert hatte, die gegen Luther und die Wittenberger Reformation gerichtet waren. Der Jurist Pistoris sprach sich gegen eine Reform des Kirchenrechts nach dem Modell der Wittenberger aus. Luther hielt in seinem Schreiben mit kräftiger Polemik dagegen. Die in einer Mischung von Deutsch und Latein vorgebrachte Polemik gipfelt in Fäkalrhetorik. Luther spricht von „reifem Dreck“ (Kot) und verspottet den Namen „Pistoris“, indem er ihn durch die Rückübersetzung in das „vulgäre“ Deutsch als „Doktor Bäcker“ lächerlich macht.

Warum diese scharfe Polemik? Luther misstraute den für die Religionspolitik zuständigen Räten am Dresdner Hof. Außer Pistoris nennt er auch die Namen von Georg von Carlowitz und Ludwig von Fachs (1497–1554), die die reformkatholische Partei am Hof der Albertiner repräsentieren. Die Räte, die bereits unter Herzog Georg von Sachsen für die Religions- und Kirchenpolitik zuständig waren und mit den konservativen Reformvorstellungen des Erasmus von Rotterdam sympathisierten, bestimmten auch unter Herzog Moritz die Politik am Dresdner Hof. Dass Pistoris im Frühjahr des Jahres 1543 das Abendmahl unter beiderlei Gestalt (Brot und Wein) nahm und sich damit öffentlich zum Ritus der Wittenberger Reformation bekannte, erfüllte Luther mit Misstrauen. Er sah in Pistoris einen Heuchler und ein Werkzeug des Teufels.

Nachdem Luther den Brief an Lauterbach unterschrieben hatte, fügte er noch einen Gruß an den Dresdner Superintendenten Daniel Greiser (1504–1591) an, der wie Lauterbach in einem engen Kontakt mit den Wittenberger Reformatoren stand. Da Greiser einen erwarteten Antwortbrief Luthers nicht erhalten hatte, sprach Luther die Vermutung aus, dass der Brief von „jenen Bäckern“ (Anspielung: den Leuten des Pistorius) abgefangen wurde.

In der Pirnaer Marienkirche spiegelt sich die Freundschaft Lauterbachs mit den Wittenberger Reformatoren in den 1544/46 entstandenen Deckengemälden wider, deren reformatorisches Bildprogramm sowohl von Lauterbach als auch von den Illustrationen der Lutherbibel inspiriert ist. Als Evangelisten sind hoch im Gewölbe Luther und Melanchthon auf Wolken sitzend dargestellt.

Verfasser: Hans-Peter Hasse

Signatur: Mscr.Dresd.R.96,S.173-174 (zum Digitalisat des gesamten Briefes)

Edition der Quelle: WAB 10, 440 f. (Nr. 3933)

Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.