Autograph der Woche Ausgabe 67 von 95 |

Brief des Wittenberger Universitätspedells Michael Maius an den Nürnberger Ratsherrn Hieronymus Baumgartner, 18. Juli 1560.

Signatur: Mscr.Dresd.C.107.f,9

Pläne zur Bewahrung des literarischen Erbes Melanchthons

Mit dem Tod des Reformators Philipp Melanchthon (1497–1560) verlor die Wittenberger Reformation nach Luther ihre wichtigste Leitfigur. Die Universität Wittenberg und die Gelehrtenwelt reagierten mit einer Flut von Gedenkveranstaltungen und Publikationen, die häufig nicht nur dem Gedenken Melanchthons, sondern auch seiner „Ehrenrettung“ verpflichtet waren: Nach Luthers Tod war er zur maßgeblichen Autorität der Wittenberger Reformation geworden, sah sich jedoch in den bald aufbrechenden innerprotestantischen Lehrstreitigkeiten zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt. Unter anderem hatte man ihm vorgeworfen, das theologische Erbe Luthers zu verraten.

Drei Monate nach Melanchthons Tod wandte sich der Wittenberger Universitätspedell Michael Maius (1530–1572) in einem Brief an seinen Patron, den Nürnberger Ratsherrn Hieronymus Baumgartner (1498–1565), den seit einem Studienaufenthalt in Wittenberg eine Gelehrtenfreundschaft mit Melanchthon verbunden hatte und der sich in seiner Heimat Nürnberg für die Reformation einsetzte. Maius, der ebenfalls aus Nürnberg stammte, gehört zu den kaum bekannten Personen aus dem Umfeld des Wittenberger Reformatorenkreises. 1546 kam er zum Studium nach Wittenberg, wo er in der Hausgemeinschaft des Theologieprofessors Caspar Cruciger d. Ä. (1504–1548) lebte und als Famulus diente. Auf Empfehlung Crucigers wurde ihm 1548 das Amt des Universitätspedells übertragen. Als Bote und Diener der Universitätsorgane oblagen ihm akademische Verwaltungsaufgaben, wodurch er mit Universitätsleitung und Lehrenden in engem Austausch stand.

In seinem Brief an Baumgartner wird Maius’ Empörung über die „Papisten“, also die Altgläubigen, und die „Flacianer“, so die polemische Bezeichnung für eine Gruppe von Melanchthongegnern im lutherischen Lager, deutlich, denen er die Verunglimpfung Melanchthons vorwarf. Er berichtete Baumgartner von Plänen der Wittenberger Universitätslehrer zu einer Melanchthon-Werkausgabe und seiner Bereitschaft, bei der Zusammenstellung des Materials mitzuwirken. Das Vorhaben wurde schon bald verwirklicht: 1562 bis 1564 erschien in Wittenberg eine vierbändige Melanchthonausgabe, herausgegeben von Caspar Peucer (1525–1602), Medizinprofessor und Schwiegersohn Melanchthons. Die Auswahl exegetischer, dogmatischer und kirchenpolitischer Schriften hatte zum Ziel, Melanchthon als wahren evangelischen Theologen und Reformator in der Nachfolge Luthers ins Licht zu setzen.

Dass Maius bei der Druckvorbereitung wichtige Aufgaben übernahm, ist gut vorstellbar. Immerhin war er seitens der Universität bereits mit Herausgeberschaften betraut worden: Seit 1556 setzte er die Tradition fort, die „Scripta publice proposita“, die Bekanntmachungen vom Schwarzen Brett der Universität Wittenberg, zu sammeln und regelmäßig in Sammelbänden zu veröffentlichen.

Maius trat mit weiteren Herausgeberschaften in Erscheinung: Ab 1565 gab er den 5. und 6. Band einer schon zu Lebzeiten Melanchthons begonnenen Reihe von Melanchthonreden heraus, für die er Reden Melanchthons aus dessen letzten Lebensjahren und solche, die seit seinem Tod an der Wittenberger Universität verfasst und gehalten wurden, auswählte.

Baumgartner und dem Nürnberger Rat blieb Maius wegen eines Stipendiums zeitlebens dankbar verbunden. In seinem Brief und in seiner Editionstätigkeit begegnet er als treuer Mitarbeiter der Wittenberger Reformation, der sich für die Belange der Universität und die Verteidigung und Bewahrung des Werkes seines Lehrers Melanchthon engagiert einsetzte.

Verfasserin: Christiane Domtera-Schleichardt

Signatur: Mscr.Dresd.C.107.f,9(2) (zum Digitalisat).

Edition der Quelle: Nicht nachweisbar.

Literatur: Das Katalogisat mit weiteren Literaturangaben zur Handschrift finden Sie in der Datenbank Kalliope - dem zentralen Nachweisinstrument für Handschriften, Autographe und Nachlässe.